Prof. Dr. Venugopalan Ittekkot, Prof. Dr. Hildegard Westphal, Prof. Dr. Gotthilf Hempel
Prof. Dr. Venugopalan Ittekkot, Prof. Dr. Hildegard Westphal, Prof. Dr. Gotthilf Hempel, Photo: Tristan Vankann

In den drei Jahrzehnten seines Bestehens hat sich das ZMT rasch zu einem international anerkannten Ansprechpartner in der Tropenforschung entwickelt und seine regionalen Arbeitsgebiete gezielt erweitert. In enger Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort sind ZMT-Forscherinnen und Forscher vor allem dort aktiv, wo Küstenökosysteme im Wandel begriffen sind und ihr fragiles Gleichgewicht bedroht ist.

Heute umspannen die Forschungsprojekte des Instituts den gesamten Tropengürtel. Dort unterstützen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZMT auch den Aufbau von Expertise und Strukturen, die ein nachhaltiges Küstenzonenmanagement ermöglichen. Ein Großteil seiner mehr als 200 Beschäftigten und Studierenden kommt aus dem – vorwiegend tropischen – Ausland.

Dabei bilden die Partnerschaften des ZMT ein weltweites Forschungsnetz von fachlich hoher Kompetenz, wodurch das Institut für große Fragestellungen des 21. Jahrhunderts – Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Ökosystemdienstleistungen, Küstenschutz – gut aufgestellt ist.

Von der Gründung bis heute

Erste Pläne für ein deutsches marines Tropeninstitut entstanden bereits in den 1980erJahren. Damals war die deutsche Bundesregierung bestrebt, einen Beitrag zur Entwicklunrg eines nachhaltigen Umganges mit Ökosystemen tropischer Küstenmeere zu leisten. Für die Erarbeitung der ökologischen und sozioökonomischen Grundlagen fehlte es aber an deutschen Meeresforschern mit tiefgehender Tropenkenntnis und an wissenschaftlichen Partnern in den Tropenländern.

Anfang 1991 wurde das Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) als An-Institut der Universität Bremen von Prof. Dr. Gotthilf Hempel, dem Gründer des Alfred-Wegner-Instituts für Polar- und Meeresforschung, ins Leben gerufen. So geriet nach Antarktis, Arktis und Südatlantik eine ganz neue Erdregion die tropischen Küsten -  in den Fokus der Bremer Meereswissenschaften. Eine wesentliche Grundlage für den Aufbau des jungen Instituts bildete das MADAM-Projekt (Mangrove Dynamics and Management), eine auf zehn Jahre angelegte BMBF-Förderung der bilateralen Zusammenarbeit mit Brasilien. Die Forschung an Korallenriffen gewann Mitte der Neunziger Jahre immer stärkere Bedeutung für das ZMT, das ab 1995 für das Rote Meer-Programm (Red Sea Programm in Marine Sciences, RSP) verantwortlich zeichnete.

Frühzeitig definierte das ZMT wissenschaftsethische Grundsätze, nach denen es seine Projekte entwickelte. Diese „Bremer Kriterien“ sahen langfristige Studien mit intensiver Beteiligung von Wissenschaftlern des Gastlandes und uneingeschränktem Austausch von Daten und Informationen vor und wurden auch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Leitlinien angenommen.

Um die Umweltforschung und eine eigenständige Umweltpolitik in den Partnerländern stützen zu können, baute das ZMT die Schulung des deutschen Nachwuchses auf dem Gebiet der tropischen Küstenforschung aus und verzahnte sie eng mit der Ausbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus außereuropäischen, insbesondere tropischen Regionen. Ziel war es, zukünftige Partner für internationale Zusammenarbeit zu gewinnen und eine Kontinuität der Forschungsaktivitäten zu gewährleisten.

Auf Gründungsdirektor Prof. Dr. Gotthilf Hempel folgte zur Jahrtausendwende der Biogeochemiker Prof. Dr. Venugopalan Ittekkot, der das Institut für zehn Jahre leitete. Er baute die Kontakte insbesondere zum asiatisch-pazifischen Raum aus. Das ZMT koordinierte jetzt auch umfangreiche Forschungsprogramme mit Indonesien (SPICE - Science for the Protection of Indonesian Coastal Marine Ecosystems) und China (LANCET – Land-Sea Interactions in Coastal Ecosystems of Tropical China).

Mit der Aufnahme des Instituts in die Leibniz-Gemeinschaft im Jahr 2009 wurde nicht nur die überregionale und wissenschaftspolitische Bedeutung seiner Forschung gewürdigt, sondern es wurden auch tragfähige Möglichkeiten geschaffen, das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie – wie es danach hieß – personell und in seiner Forschungskapazität zu stärken.

Mit Prof. Dr. Hildegard Westphal übernahm im November 2010 eine Geologin die Leitung des ZMT, ein Jahr später wurde sie zur wissenschaftlichen Vizepräsidentin der Leibniz-Gemeinschaft gewählt und hatte das Amt bis 2017 inne. Am ZMT trieb sie die thematische und personelle Erweiterung voran – so hat sich seit ihrer Amtsübernahme die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am ZMT verdreifacht.

Durch den Ausbau der Sozialwissenschaften und der Geowissenschaften richtete sie die Forschung am ZMT verstärkt interdisziplinär aus. Tropenökologische Themen globaler Bedeutung ebenso wie komplexe regionale Probleme können nun umfassend beleuchtet werden – von ihren Grundlagen bis zu praxisnahen Lösungsstrategien. Regional stärkte das ZMT die Zusammenarbeit mit Afrika, so etwa im Rahmen der Leibniz-Graduiertenschule SUTAS (Sustainable Use of Tropical Aquatic Systems) mit Tansania.

Weiterhin festigte das ZMT durch die Einrichtung des Büros für Wissensaustausch den gezielten Dialog mit wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Partnern in Deutschland und den Tropenländern.

Die Namensänderung des Instituts, das seit 2017 Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung heißt, trägt der wachsenden interdisziplinären Breite Rechnung, die sowohl die Natur- als auch die Sozialwissenschaften umfasst.

Im Januar 2017 baute das ZMT seine Führungsebene aus. Dr. Nicolas Dittert wurde als kaufmännischer Direktor ein Teil der Geschäftsführung.

Zu Beginn des Jahres 2022 übernahm Prof. Dr. Raimund Bleischwitz die wissenschaftliche Geschäftsführung des ZMT in Bremen und bildet seitdem mit Dr. Nicolas Dittert die Führungsspitze des ZMT.

Bleischwitz kommt vom University College London (UCL), weltweit eine der Top-10-Universitäten. Dort hatte er die Professur für Nachhaltige Globale Ressourcen inne und war Direktor der Bartlett School of Environment, Energy and Resources. Raimund Bleischwitz forscht auf dem Gebiet der Produktivität natürlicher Ressourcen in Wirtschaft und Gesellschaft und beschäftigt sich mit den multidisziplinären Herausforderungen von Ressourcennutzung. Seine Arbeiten betonen sowohl die Interaktion zwischen Ressourcen und Ökosystemen („Nexus“) als auch die Chancen einer Ressourcenpolitik für Innovationen und verbesserte Lebensverhältnisse.

Im Herbst 2022 übernahm Raimund Bleischwitz zudem die Leitung des International Ocean Institute (IOI) Deutschland. Anfang 2023 wurde er zum Professor für Globale Nachhaltige Ressourcen der Universität Bremen ernannt.

Unter der Leitung von Raimund Bleischwitz und Nicolas Dittert nimmt der Neubau des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) weiter Gestalt an. Das Neubauvorhaben soll in der der Otto-Hahn-Allee im Bremer Stadtteil Horn-Lehe entstehen. Es umfasst knapp 6.500 Quadratmeter und hat einen Finanzrahmen von 34,8 Mio Euro. Der Bund und das Land Bremen teilen sich die Finanzierung. Der Landesanteil wird von der Senatorin für Wissenschaft und Häfen übernommen. Im Frühjahr 2023 unterzeichneten die ZMT-Geschäftsführer den Vertrag mit SWAP Architektur. Das Wiener Architektenbüro hatte den europaweiten Architekturwettbewerb für den ZMT-Neubau für sich entschieden und wird das Gebäude entwerfen.

Mit Raimund Bleischwitz baut das ZMT auf wissenschaftlicher Ebene seine Modellierungskapazitäten aus, um die Forschung zu Erdsystemmodellen (ESM) mit einem neuartigen Ansatz für Küstenökosysteme und Gemeinden in tropischen Ländern zu ergänzen. Die strategische Institutserweiterung (Sondertatbestand / STB) wurde im Frühjahr 2024 bewilligt.

Auch die von Hildegard Westphal begonnene Neustrukturierung des ZMT-Forschungsprogramms in fünf Programmbereiche wird unter Bleischwitz weiterentwickelt und finalisiert. Die interdisziplinären Programmbereiche bilden jetzt das organisatorische Gerüst des ZMT; dort arbeiten Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Fachrichtungen an übergreifenden Forschungsfragen und strategischen Zielen. Somit schaffen die Programmbereiche die institutionellen Rahmenbedingungen für Exzellenz in der Forschung in Punkto Relevanz, Methodenentwicklung und Beiträge zur Lösung drängender Probleme; zudem werden Kapazitätsentwicklung und Wissensaustausch in enger Kooperation mit internationalen Partnern in den Tropen weiterentwickelt. In diesen Zusammenhang passen auch die Impulse hin zu einem Gender Equality Action Plan, zu einer Diversitätsstrategie und Leitlinien Guter Führung.

Bleischwitz setzte sich zudem für die Beteiligung des ZMT an den Leibniz-Labs ein, einem neuen institutsübergreifenden Förderformat der Leibniz-Gemeinschaft, ist das ZMT seit März Mitglied Leibniz Labs „Systemische Nachhaltigkeit – Biodiversität, Klima, Landwirtschaft und Ernährung innerhalb planetarer Grenzen“. Das ZMT wird hier seine interdisziplinäre Kompetenz in der Erforschung tropischer Küstenökosysteme aus natur- und sozialwissenschaftlicher Sicht einbringen.

Auf europäischer Ebene intensiviert Raimund Bleischwitz entsprechend die Zusammenarbeit mit der „Coalition for Advancing Research Assessment“ und leitet dort eine Arbeitsgruppe zu einer transformativen Rolle der Forschung. Der Verbund will die Prozesse der Forschungsevaluation verbessern, traditionelle Bewertungsmethoden überdenken und moderne Ansätze fördern. Arbeiten fließen ein in das neugegründete Leibniz Strategieforum ‚Research Assessment‘, in dem Bleischwitz zum Mitglied ernannt wurde.

Ein besonderes Anliegen ist die Weiterentwicklung der Blue Economy im Einklang mit Klimaschutz und Fragen der Gerechtigkeit. Das Thema „Schiffsrecycling“ bildet einen ersten Schwerpunkt und wird auch für den Standort Bremen mit seinem Stahlwerk aufbereitet