Eine Expedition im Rahmen des Projekts TRAFFIC

Ein Nachtflug hatte uns am Morgen des 13.02. nach Johannesburg (Südafrika) gebracht. Von dort führte unsere Flugroute über die Namib. Die Wüste steht in eindrucksvollem Kontrast zu dem nährstoffreichen Meeresgebiet vor der Küste Namibias. Allerdings ist auch sie durchaus nicht eintönig.

Die Wüste Namib

Die Wüste Namib

Charakteristisch, wie es für die großen, fischreichen „Auftriebsgebiete“ an den Westküsten der Kontinente ist, liegt auch hinter der Auftriebszone des Benguela-Stroms eine Wüste – ein Gegensatzpaar, das sich wechselseitig bedingt: Stetiger ablandiger Wind erzeugt hinter der Küste ein extrem trockenes Klima. Vor der Küste führt er dazu, dass Oberflächen-Meerwasser vom Kontinent weg transportiert wird. Dadurch strömt Wasser aus der Tiefe nach und füllt die oberen Wasserschichten auf. Es bringt hohe Nährstoffkonzentrationen mit sich und lässt pflanzliches Plankton florieren, das seinerseits eine üppige Nahrungsbasis für tierisches Plankton liefert, und dieses wiederum für Fische.

 

Walvis Bay

Fauna in Walis Bay

Die „Meteor“ liegt bereits in Walvis Bay, der bedeutendsten Hafenstadt Namibias. Am Morgen des 14.02. findet sich die wissenschaftliche Crew auf dem Forschungsschiff ein; mit dabei sind auch die Projektpartner aus dem südlichen Afrika. Der Tag ist geprägt von umfangreichen Vorbereitungen, beginnend mit dem Entladen etlicher hundert Seekisten bei sommerlichen Temperaturen. Anschließend werden Labore bezogen, Geräte aufgebaut und getestet. Morgen soll es losgehen. Gern lassen wir Sie in unserem Seetagebuch an der Reise teilhaben.

Laboraufbau METEOR

Der Laborcontainer ist leergeräumt.

Labor auf der METEOR

Und die Labore eingerichtet.

Die Meteor läuft am 15.02. aus und dampft zunächst gen Süden, denn die Untersuchungen sollen im südlichen Teil des Benguela-Auftriebsgebiets beginnen. Während die übrige Ausrüstung betriebsfertig gemacht wird und Gerätetests laufen, geht das erste Instrument zu Wasser: der „TRIAXUS“ – ein Geräteträger, der während der Fahrt geschleppt wird und dabei selbstständig in der Wassersäule auf- und abfahren kann, um mit einer Vielzahl von Sensoren ozeanographische Messgrößen aufzunehmen.

TRIAXUS

Nach einer Teststation am 16.02., auf der die wichtigsten Geräte probehalber eingesetzt wurden, starten wir am 17.02. mit dem vollen Programm.

Text: Anne Sell (Thünen-Institut für Seefischerei, Bremerhaven)

WOCHENBERICHT vom 24. Februar 2019

 

Die Crew

Crew Meteor

 

16.02. ++ Gerätetests mit Schaulustigen ++

Heute steht eine Reihe von Gerätetests an: Auf der Dampfstrecke in Richtung des südlichen Benguela-Gebiets setzen wir die wichtigsten Instrumente probehalber ein. Der sondenbestückte Schöpferkranz, mit dem Wasserproben und ozeanographische Messdaten gewonnen werden, findet Interesse bei einer neugierigen Robbe.

 

17.02. ++ Die ersten Stationen des Fahrtprogramms ++

Auf dem flachen Schelfbereich vor der südafrikanischen Küste werden die ersten Mehrfach-Schließnetze gefahren, um in ausgewählten Tiefen Zooplankton und Fischlarven zu fangen.

 

Es folgt der erste echte Einsatz unseres „RMT“, des ‚Rectangular Midwater Trawl‘. Als kleines Fischereinetz eignet es sich sehr gut für die Anwendung auf dem Forschungsschiff ‚Meteor‘. Es soll die Fische fangen, die im Fokus des Thünen-Teams stehen: mesopelagische Arten, die in diesem Auftriebsgebiet sehr zahlreich auftreten und täglich weite Vertikalwanderungen durch die Wassersäule unternehmen. Tagsüber schützen sie sich in großen Tiefen vor Freßfeinden, nachts wandern sie selbst zum Fressen in die Oberflächenschichten, wo sie reiche Nahrungsressourcen im Zooplankton finden. Daher werden wir in den Folgetagen viel in Nachtschichten arbeiten.

Text: Anne Sell (Thünen-Institut für Seefischerei, Bremerhaven)

 

Probennahme mit dem Katamaran

Was auf den ersten Blick nach einem Wassersportgerät für das Freizeitvergnügen aussehen könnte, wird vom ZMT seit einigen Jahren erfolgreich zur Beprobung des Neustons in der oberen Wasserschicht eingesetzt: ein abgewandelter Katamaran (Hobie Cat 15®).

Neuston (griechisch neuston ‚das Schwimmende‘) ist die Lebensgemeinschaft an der Wasseroberfläche. Diese Grenzschicht zwischen Wasser und Luft ist nur einen Millimeter dick und beherbergt eine ganz eigene, vom darunter liegenden Wasser vollkommen getrennte Artengemeinschaft. Auch Fische nutzen diese Schicht als Nahrungsquelle und halten sich in den oberen Zentimetern auf. Die Neuston-Proben stellen damit eine wichtige Ergänzung zu dem in der Wassersäule mit den Mehrfach-Schließnetzen gesammelten Plankton dar. Aus diesen Proben lassen sich somit weitere Erkenntnisse zur räumlichen Verteilung und Häufigkeit mariner Organismen und deren Rolle im Nahrungsnetz im Benguela Auftriebssystem ziehen.

Mit Hilfe eines Krans und einigen helfenden Händen an Deck wird der Katamaran über die Bordwand des Forschungsschiffs Meteor zu Wasser gelassen – bei 4 Knoten Fahrt wird er dann für 30 Minuten geschleppt.

 

Die zwei übereinander hängenden Neuston-Netze (300 - 500 µm Maschenweite) sind so eingestellt, dass das obere die Wasseroberfläche schneidet, und das untere die 15 cm genau darunter befischt. Der Unterschied zwischen den beiden gewonnenen Proben ist bemerkenswert: mit dem oberen Netz, das von der Wasseroberfläche bis etwa 15 cm Tiefe Neuston sammelt, wurden sowohl häufiger als auch mehr Fischlarven und juvenile Fische gefangen, als mit dem darunterliegenden (links im Bild). Fischlarven werden gleich nach dem Fang raussortiert und eingefroren, um weitere Untersuchungen zu Hause im Labor machen zu können.

 

Neben frühen Lebensstadien von Fischen finden sich aber auch andere Zooplankter in den Netzen, wie beispielsweise Flügelschnecken (Thecosomata), Asseln (Isopoda) oder Segelquallen (Velella velella).

Text: Werner Ekau (ZMT)

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Foto: Anne Sell

02.03. ++ Abschluss sBUS und Crewwechsel ++

Unsere Arbeiten in südafrikanischen Gewässern sind komplett.

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Rückblick auf die Küste seines Heimatlandes (Mbulelo M.)  Foto: Anne Sell

Wir haben den ersten Teil der Reise abgeschlossen und unser Fahrtgebiet im südlichen Teil des Benguela-Gebiets verlassen. Die Positionen unserer Arbeiten im Süden ergeben ein Stationsnetz, dass die Beprobung dreier wichtiger ökologischer Zonen einschließt, einen flachen Bereich auf dem Kontinentalschelf mit Tiefen zwischen 50 und 150 m, dann die Schelfkante mit 300-400 m Wassertiefe und am küstenfernsten eine Reihe von ozeanischen Stationen mit 1000 – 2000 m Tiefe.

Einige der im südlichen Benguela-Gebiet gefangenen Organismen wirken sehr vertraut, andere jedoch fremd und bizarr.

 

Vor Namibias Hafenstädchen Walvis Bay verlassen uns einige Crewmitglieder mit einem Tenderboot, fünf neue kommen für den zweiten Reiseabschnitt an Bord.

Text: Anne Sell (Thünen-Institut für Seefischerei, Bremerhaven)

WOCHENBERICHT vom 03. März 2019

WOCHENBERICHT vom 10. März 2019

 

Fänge von Fischen der “Zwielichtzone”

Uns interessiert die Rolle der sogenannten mesopelagischen Fische im Nahrungsnetz des Benguela-Stroms. Diese Arten leben in Tiefen zwischen 200 und 1000 Metern Wassertiefe und führen täglich weite Vertikalwanderungen durch: tagsüber halten sie sich in Tiefen, in die kaum noch Licht vordringt, vor ihren Räubern versteckt, nachts wandern sie selbst in die oberflächennahen Wasserschichten. Zum Fang dieser mesopelagischen Arten setzen wir ein ‚Rectangular Midwater Trawl‘ (RMT) ein. Es besteht aus zwei Komponenten: dem 8 m² großen rechteckigen Netz mit 4 mm Maschenweite zum Fang der Fische und darüber einem 1 m² messenden feineren Netz, mit dem die Begleitfauna kleinerer Zooplankter erfasst werden kann.

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Das RMT Netz zum Fang mesopelagischer Fische geht von Deck.

Bestandsschätzungen haben ergeben, dass es weltweit über 1 Milliarde Tonnen mesopelagischer Fische gebe. Trotz ihrer damit offensichtlich großen Bedeutung in den Meeresökosystemen, insbesondere als Nahrungsressource für Raubfische, hat diese Gruppe der Fische bislang recht wenig Beachtung gefunden. Das liegt daran, dass die kleinen Tiere selbst kommerziell kaum genutzt werden.

Am einfachsten lassen sich die mesopelagischen Fischarten fangen, wenn sie sich an der Oberfläche konzentrieren. Daher findet unsere Arbeit mit dem Fischereinetz vor allem nachts statt.

Während des ersten Fahrtabschnitts im südlichen Benguela-Gebiet setzten sich unsere Fänge überwiegend aus vier Arten zusammen – und enthielten häufig viel weniger Individuen, als wir erwartet hatten. Auf dem Schelf und im flacheren Wasser traten vor allem Maurolicus walvisiensis (Sternoptychidae) und Lampanyctodes hectoris (Myctophidae) auf.

 

Jenseits des Schelfs, in tiefen ozeanischen Zonen ändert sich das Artenspektrum, und es treten größere Zahlen von Tiefsee-Beilfischen (Argyropelecus hemigymnus) und der Laternenfisch Diaphus meadi auf. Und ein wieder neues Artenspektrum präsentiert sich mit der mesopelagischen Fauna auf unserem zweiten Fahrtabschnitt im nördlichen Benguela. Schon auf den ersten Blick zeigte sich dieses Gebiet ganz anders als die Meeresregion vor Südafrika. Hier, westlich von Namibia, beherrschen in den flacheren Küstenzonen Quallen das freie Wasser. Gleichzeitig ist in den Fängen über alle Tiefenzonen nicht nur die Dichte, sondern auch die Diversität des Mesopelagials deutlich größer als im südlichen Benguela.

Text: Sabrina Duncan (Thünen-Institut für Seefischerei, Bremerhaven)

WOCHENBERICHT vom 17. März 2019

 

„Klar Schiff“ auf der Meteor

Die letzten zwei Tage unserer Forschungsfahrt stehen im Zeichen des Aufbruchs, denn wie fast alle Crewmitglieder werden wir am Ende der Woche in Namibia von Bord gehen. Netze werden gespült, Labore leergeräumt, geschrubbt und vor allem die Ausbeute an Proben verpackt, um per Container und teils per Luftfracht an die Institute verschickt zu werden. Den Abschluss krönt die Begegnung mit einer Schule von Delfinen.

Diese Reise hat uns vielfältiges Material beschert. Wir konnten die mesopelagische Fischfauna des südlichen und nördlichen Benguela-Gebiets beproben, von den flachen Küstenzonen bis in die Tiefsee jenseits des Kontinentalabhangs. Einige der Fische sind in Formaldehyd fixiert, um sie im Labor in Bremerhaven zu vermessen und ihre Mageninhalte zu untersuchen. Hiermit kann die Beutezusammensetzung der wichtigsten Fischarten zwischen den verschiedenen Fangregionen verglichen werden.

Während der Reise haben wir zudem Gewebeproben von über 500 Fischen gewonnen, um ihre Rolle im Nahrungsnetz über verschiedene Messgrößen zu bestimmen. Dazu zählt neben der Analyse stabiler Isotope im Muskelgewebe, die Aufschluss über die langfristigen Ernährungsgewohnheiten der Fische gibt, auch eine genetische Identifizierung der Fische selbst sowie ihrer Beute.

Einige Fische sind auf den Fraß kleiner Planktonorganismen spezialisiert, während gerade Fischarten der tiefen Zonen häufig lange auf die Begegnung mit großen Beutetieren warten. Entsprechend unterscheidet sich die die Anatomie beider Gruppen: Planktonfresser kommen mit kleinen Mäulern aus, während Raubfische der Tiefsee mit ihren übergroßen Zähnen und Mäulern gespenstisch wirken.

Um die Funktion der einzelnen Fischarten zu charakterisieren, haben wir deshalb eine Reihe von morphologischen Parametern aufgenommen, darunter neben der Körpergröße auch die Dimensionen der

Maulöffnung. Dieses Maß limitiert die maximale Größe der verzehrten Beutetiere. Über die Beziehungen zwischen den Körperdimensionen und den Beutespektren der einzelnen Arten lassen sich ihre spezifischen ökologischen Nischen beschreiben.

Am Ende wollen wir die Frage beantworten, ob mesopelagische Fische eine unterschiedliche Funktion in den offensichtlich verschiedenen Lebensgemeinschaften des nördlichen und südlichen Benguela-Ökosystems ausüben.

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Das letzte Abendessen in der Walvis Bay Lagune, begleitet von Flamingos und Pelikanen. Fotos: Sabrina Duncan

Mit Bedauern verlassen wir die ‚Meteor‘, aber immerhin gibt es ein großes, munteres Abschiedstreffen mit der Crew an Land in Walvis Bay, umgeben von Flamingos und Pelikanen. In Deutschland werden wir nun gespannt unsere reiche Sendung aus Namibia erwarten, um im Labor mit der Analyse der Proben zu beginnen.

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Walvis Bay International Airport – Ein Flughafen mit einem einzigen Abflugsteig, umgeben von Wüste. Foto: Sabrina Duncan

Wir sagen “1000 Dank!” dem Kapitän wie der Crew der Meteor, dem Fahrtleiter und unseren Kollegen aus Namibia, Südafrika und Deutschland. Sie alle haben unsere Forschung in jeder erdenklichen Weise unterstützt – und diese Reise zu einer wahren Freude gemacht.

Text: Anne Sell (Thünen-Institut für Seefischerei, Bremerhaven)