Die Nutzung und das Management natürlicher Ressourcen, etwa in der Fischerei, sind Kernthemen vieler zivilgesellschaftlicher Umweltorganisationen. Eine neue ZMT-Studie zeigt, dass deren Interessen inzwischen viel breiter gefächert sind als die klassischen Fragen des Naturschutzes.  | Foto: S. Partelow, ZMT
Die Nutzung und das Management natürlicher Ressourcen, etwa in der Fischerei, sind Kernthemen vieler zivilgesellschaftlicher Umweltorganisationen. Eine neue ZMT-Studie zeigt, dass deren Interessen inzwischen viel breiter gefächert sind als die klassischen Fragen des Naturschutzes. | Foto: S. Partelow, ZMT

29.05.2020 | Ein internationales Forscherteam um den Sozialwissenschaftler Dr. Stefan Partelow vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) hat thematische Schwerpunkte von mehr als 670 Umweltorganisationen weltweit untersucht. Die Analyse zeigt für die Mehrzahl der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zwar ein gemeinsames Interesse im Bereich des Naturschutzes, identifiziert aber weitere Kernpunkte wie etwa Klimapolitik, Umweltgerechtigkeit und ökologische Modernisierung. Die Ergebnisse der Studie, an der auch Forschende aus Kanada und den USA beteiligt waren, wurden jetzt im Fachjournal PLOS ONE veröffentlicht.

Obwohl sie eine wichtige Rolle in der globalen Umweltpolitik spielen, fehlte es bisher an einer systematischen Analyse der Diskursvielfalt von Umweltorganisationen. Für ihre neue Studie untersuchte ein internationales Team unter Leitung von ZMT-Forscher Dr. Stefan Partelow jetzt einen Datensatz aus Leitbildern sowie personellen und finanziellen Ressourcen von 679 Umweltorganisationen weltweit.

Zur Auswertung der Leitbilder analysierten die Forschenden die Umweltdiskurse der NGOs basierend auf dem Gebrauch bestimmter Begriffe in Leitbildern, statt subjektivere Kategorien früherer Studien zu verwenden.

Ihre Ergebnisse zeigen, dass die meisten der untersuchten Organisationen ein gemeinsames Interesse im Bereich des Naturschutzes haben, insgesamt identifiziert das Forscherteam jedoch vier verschiedene thematische Schwerpunktbereiche:

  • Umweltmanagement (z.B. Naturschutz, Management natürlicher Ressourcen),
  • Klimapolitik (z.B. Governance und zivilgesellschaftliches Engagement zum Klimawandel),
  • Umweltgerechtigkeit (z.B. Stärkung von Gemeinschaften, Achtung der Natur und der Menschenrechte),
  • ökologische Modernisierung (z.B. Business-Innovation, Technologien für erneuerbare Energien)

Insbesondere die Bedeutung von Klimapolitik und Umweltgerechtigkeit wurde in bisherigen Studien zum Umweltdiskurs unterschätzt, so die Forschenden.

Regionale Unterschiede in Personal- und  Finanzressourcen

Auch regionale Ungleichheiten bei den personellen und finanziellen Ressourcen werden in der Analyse deutlich. So verfügen Umwelt-NGOs in Afrika und Ozeanien im Median über die geringste Anzahl von Mitarbeitern, afrikanische Umweltverbände haben im Median die niedrigsten Jahresbudgets. Während Umweltorganisationen in Nordamerika und Europa den höchsten Medianwert in der Finanzkapazität aufweisen, findet sich in Lateinamerika und der Karibik der höchste Medianwert in der Mitarbeiterzahl.

Diese Unterschiede spiegeln wohl unterschiedlich hohe Personalkosten und Finanzströme wider, wobei Umwelt-NGOs im Globalen Süden mehr Menschen mit weniger Geld beschäftigen, während Organisationen im Globalen Norden mehr Geld mit weniger Beschäftigten verwalten, so die Wissenschaftler. Für die Forschenden weist diese ungleiche Verteilung auch auf eine globale Arbeitsteilung hin, bei der Umweltorganisationen des Nordens als Geber oder Koordinatoren für große Projekte fungieren, während NGOs des Südens Aufträge für die Umsetzung erhalten.

„Daten zur Finanzkapazität zeigen uns, wie machbar es für NGOs ist, für ihre jeweiligen Themen zu plädieren und sie umzusetzen. Wenn wir sehen, wo es in verschiedenen Regionen Ungleichheiten und Einschränkungen gibt, kann uns das in der Forschung helfen, erkennbare Unterschiede in der Strategien und Umweltpolitik zwischen Umweltorganisationen besser zu verstehen“, erklärt Studienleiter Dr. Stefan Partelow.

Für eine Teilmenge von 276 der untersuchten Umwelt-NGOs berechnete das Forscherteam außerdem einen institutionellen ‚Power-Index‘ auf Grundlage ihrer personellen und finanziellen Ressourcen und fand heraus, dass mehr als 40% der einflussreichsten Umweltorganisationen sich in ihren Leitbildern auf Klimapolitik und Umweltgerechtigkeit fokussieren.

„Dies bedeutet, dass es mehr einflussreiche zivilgesellschaftliche Organisationen gibt, die sich mit Klimafragen befassen als mit Fragen des Biodiversitätsverlusts oder der fortschreitenden Wüstenbildung“, erläutert Co-Autorin Dr. Klara Winkler von der McGill University in Kanada. „Es ist wichtig, sich im Klaren darüber zu sein, dass einige Umweltthemen mehr Aufmerksamkeit erhalten als andere, die dem Risiko ausgesetzt sind, vernachlässigt oder gar vergessen zu werden.“

Die Studie liefert wichtige Daten, neue methodische Ansätze und wertvolle Erkenntnisse als Grundlage für zukünftige Forschung zur Rolle von NGOs in der globalen Umweltpolitik.

„NGOs sind einflussreiche Akteure in der Umweltpolitik. Unsere Ergebnisse zeichnen nicht nur ein klareres Bild des globalen Netzwerks von Umweltorganisationen, sondern auch der Diskurse, die sie nutzen, um Umweltprobleme zu verstehen und zu adressieren – beides wichtige Beiträge in Zeiten weltweiter Krisen,“ sagt Dr. Gregory Thaler, Co-Autor von der University of Georgia, USA.

„Unsere Studie legt nahe, dass der Sektor der Umweltorganisationen eher als 'Nachhaltigkeits-NGO'-Sektor verstanden werden könnte, der sich mit Anliegen befasst, die viel weiter gestreut sind als die klassischen Fragen des Naturschutzes“, fasst Dr. Stefan Partelow zusammen.

Publikation:
Partelow S., Winkler K.J., Thaler G.M. (2020) Environmental non-governmental organizations and global environmental discourse. PLoS ONE 15(5): e0232945. DOI: 10.1371/journal.pone.0232945

https://doi.org/10.1371/journal.pone.0232945
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0232945