9.2.17 | Die Doktorarbeit der Fischerökologin Jennifer Rehren wurde in Bremen und Sansibar im Rahmen der SUTAS Leibniz Graduiertenschule betreut. Der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Achim Schlüter leitet am ZMT die Arbeitsgruppe „Institutionen und Verhaltensökonomik“. Im Interview berichten sie über vernetzte interdisziplinäre Wissenschaft in Sansibar.
Welches Problem haben Sansibars Fischer?
Jennifer Rehren: In den Fischerdörfern an der Ostküste Sansibars sind viele Fischer davon überzeugt, dass die Ressourcen in Chwaka Bay überfischt sind.
Achim Schlüter: Außerdem gelten zwei Nachbardörfer als untereinander zerstritten, die jeweils unterschiedliche Fangmethoden einsetzen: Schleppnetze, Reusen und Speere. Den Schleppnetzfischern wurde in der Vergangenheit immer wieder ihre umweltschädliche Fangmethode vorgeworfen und und die mangelnde Bereitschaft zur Kooperation.
Gibt es Lösungen?
Achim Schlüter: Alle Fischer sind sich darüber im Klaren, dass man an einem Strang ziehen muss, um ein nachhaltiges Fischereimanagement in der Region zu etablieren.
Jennifer Rehren: Es hat Versuche gegeben, die Schleppnetzfischerei in der Bucht zu verbieten und illegale Fanggeräte auszutauschen. Das hat die Situation nicht verbessert.
Achim Schlüter: Ursache ist die ökonomische Abhängigkeit der Fischer. Ein Boot mit Schleppnetzen ernährt rund zehn Fischer. Würden sie arbeitslos, müssten sie in die Anschaffung von Reusen und Boot investieren. Dazu sind sie nicht in der Lage.
Was kann interdisziplinäre ZMT-Forschung bewirken?
Achim Schlüter: Die Erforschung der sozioökonomischen Hintergründe ist sehr hilfreich, um Handlungsoptionen zu finden. Wir haben außerdem das Kooperationsverhalten am Beispiel der zwei Dörfer untersucht und festgestellt, dass die Nutzung der nachhaltigeren Fangmethoden nicht notwenig mit der Bereitschaft zur Zusammenarbeit für mehr nachhaltige Fischerei einhergeht.
Es kommt hingegen darauf an, wie gewohnt die Fischer sind, zusammen zu arbeiten. Die Schleppnetzfischerei vor Ort verlangt mehr Kooperation vom Einzelnen als die Reusenfischerei, die autonom betrieben wird. Solche Erkenntnisse helfen allen Beteiligten im Umgang miteinander.
Jennifer Rehren: Ich habe zudem ein Jahr lang in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Fischern eine fischereiökologische Erhebung der Bestände in der Chwaka Bucht durchgeführt. Für drei regional wichtige Arten wissen wir jetzt, dass sie Anzeichen einer Überfischung zeigen, und wir wissen auch, welche Fangmethoden auf sie den stärksten Druck ausüben.
Überraschenderweise geht der größte Druck von der effektiveren Reusenfischerei aus. In einem Workshop mit den Fischern aus den drei Dörfern habe ich die Ergebnisse vermittelt und diskutiert.
Die Akzeptanz und die Kooperationsbereitschaft waren jetzt sehr hoch. Das Ergebnis waren sehr konkrete Vorschläge seitens der Fischer, wie man nun reagiert: Ein marines Schutzgebiet, das gar keine Fischerei zulässt, stand zur Debatte oder die Anlage eines künstlichen Riffs, mit dem die Biomasse erhöht werden kann. Die Vorschläge der Fischer werden jetzt in den Dörfern diskutiert und von mir in einer Empfehlung an die Politik* zusammengefasst.
*Mit Policy Briefs zielt das ZMT auf den praktischen Nutzen der eigenen Forschung und formuliert konkrete umweltpolitische Empfehlungen für politische Entscheidungsträger.
Autorin: Bettina Mittelstrass