Neue IUCN-Arbeitsgruppe "Fischerei und Schutzgebiete" mit ZMT-Beteiligung
Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPAs) sind zentrale Instrumente der gebietsbezogenen Naturschutzpolitik zur Erhaltung der marinen Biodiversität. Während einige MPAs vollständig unter Schutz stehen, erlauben andere eine nachhaltige Nutzung – etwa Fischerei –, sofern diese ökologisch verträglich ist, gut gemanagt wird und lokalen Gemeinschaften zugutekommt.
Die Weltnaturschutzunion (IUCN) bündelt in ihrer World Commission on Protected Areas (WCPA) ein globales Netzwerk mit über 2.500 Mitgliedern in 140 Ländern. Ziel ist es, Kompetenzen, politische Rahmenbedingungen und Investitionen in Schutzgebiete weltweit zu stärken. Obwohl es IUCN-Leitlinien zur nachhaltigen Nutzung in MPAs gibt, ist deren Umsetzung bislang uneinheitlich – insbesondere im Hinblick auf industrielle Fischerei und vertikale Zonierungspraktiken.
Angesichts der wachsenden internationalen Aufmerksamkeit für wirksames Management und gerechte Steuerung – insbesondere im Rahmen von Ziel 3 des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework – besteht dringender Bedarf an klareren Vorgaben, wann und unter welchen Bedingungen verschiedene Formen der Fischerei, einschließlich der industriellen Fischerei, in MPAs oder anderen wirksamen gebietsbezogenen Schutzmaßnahmen (Other Effective area-based Conservation Measures, OECMs) zulässig sind.
Die IUCN hat daher eine neue gemeinsame Initiative ins Leben gerufen: die "IUCN WCPA and MPA Guide Fisheries and Conserved Areas Task Force". Diese Arbeitsgruppe soll klären, inwieweit unterschiedliche Formen und Intensitäten der Fischerei mit Naturschutzzielen vereinbar sind – mit besonderem Fokus auf industrielle Fischerei (gemäß IUCN-Resolution 55), vertikale Zonierung und risikobasierte Bewertungen.
Dr. Estradivari vom ZMT trägt ihre Expertsie als eine von vier Ko-Vorsitzenden bei. Die Meeresökologin bringt umfassende Erfahrung in den Bereichen Meeresnaturschutz, Korallenriff-Ökologie, Management mariner Ressourcen und wissenschaftsbasierte Politikberatung im Korallendreieck und darüber hinaus mit. Sie hat sich unter anderem dafür eingesetzt, Mehrnutzungs-Schutzgebiete so zu gestalten, dass sie sowohl Biodiversität bewahren als auch das menschliche Wohlergehen fördern. Zudem engagiert sie sich für die Anerkennung von OECMs in Indonesien durch inklusive, wissenschaftsgeleitete Prozesse.
„Es gibt anhaltende Diskussionen – sowohl auf konzeptioneller Ebene als auch in der Praxis – darüber, was genau unter industrieller Fischerei zu verstehen ist“, sagt Dr. Estradivari. „Die Definitionen variieren von Land zu Land, und gängige Kriterien wie Schiffsgröße oder Fanggerät spiegeln nicht immer die tatsächlichen ökologischen Auswirkungen einer Fischerei wider. Ohne ein gemeinsames Verständnis und praktische Leitlinien riskieren wir, unsere Naturschutzziele zu untergraben.“
Sie ergänzt: „In Indonesien dürfen beispielsweise nur Schiffe mit weniger als zehn Bruttoregistertonnen in Schutzgebieten fischen. Diese Regelung soll kleine, handwerkliche Fischereien von größeren industriellen Betrieben abgrenzen – doch die Realität ist komplexer. Über 95 Prozent der indonesischen Fischer:innen arbeiten im Kleinstmaßstab, oft täglich, teils mit schädlichen Methoden. Die Schiffsgröße als alleinigen Maßstab heranzuziehen, greift zu kurz und kann den ökologischen Druck auf Schutzgebiete sogar erhöhen.“
Die Task Force hat sich zum Ziel gesetzt, anwendbare, wissenschaftlich fundierte Leitlinien zu erarbeiten: zur Definition und Abgrenzung industrieller Fischerei, zur Bewertung ökologischer Wirkungen vertikaler Zonierung sowie zur Entwicklung eines risikobasierten Instruments zur Beurteilung der Auswirkungen unterschiedlicher Fischereiarten.
Offiziell vorgestellt wurde die Arbeitsgruppe kürzlich im Rahmen eines Webinars der OCTO Group – das Interesse und die Unterstützung aus der Meeresschutz-Community waren groß. Der erste technische Workshop mit Fokus auf industrielle Fischerei hat bereits stattgefunden – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu international abgestimmten Leitlinien im Sinne des Naturschutzes und der Gerechtigkeit.
Kontakt für weitere Informationen oder zur Mitwirkung an der Task Force:
Dr. Estradivari
E-Mail:
Weitere Infos: https://iucn.org/our-union/commissions/group/iucn-wcpa-and-mpa-guide-fisheries-and-conserved-areas-task-fo