16.06.17 | Für die Rekonstruktion des Klimas vergangener Zeiten stellen Kalkschalen von Meerestieren wie Muscheln ein wertvolles Archiv dar. Dabei nutzen Klimastudien zunehmend auch jenes Schalenmaterial, das Menschen in prähistorischer Zeit in der Nähe ihrer Siedlungen angehäuft haben. Der Geologe Peter Müller vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) fand jedoch ein erhebliches Fehlerpotential bei paläoklimatischen Untersuchungen an Muscheln, die für den Verzehr erhitzt wurden. Die Studie ist kürzlich im Fachjournal „Scientific Reports“ erschienen.
Wie wird sich unser Klima in der Zukunft entwickeln? Hinweise hierzu gibt das Klima vergangener Zeiten. Eine bewährte paläoklimatische Methode ist die Analyse von Sauerstoffisotopen in den Schalen von kalkbildenden Meerestieren. Sie geben Aufschluss über die Temperatur des Meeres und erlauben auch die Rekonstruktion des Niederschlags in Küstengebieten zu der Zeit, als die Kalkschalen gebildet wurden.
Lange wurden vor allem die Gehäuse der winzigen Foraminiferen für Klimarekonstruktionen genutzt. Das sind wasserlebende Einzeller, deren Kalkschalen in Sedimenten nahezu allgegenwärtig sind. In den letzten Jahren sind jedoch zunehmend auch Muscheln in den Fokus der Klimaforscher gerückt.
Wie Bäume bilden Muscheln Jahresringe beim Aufbau ihrer Schale. Deren chemische Zusammensetzung spiegelt Umweltfaktoren wider und erlaubt Aussagen über jährliche und sogar saisonale Klimaschwankungen. Unter anderem findet man die Schalen angehäuft in küstennahen archäologischen Stätten, die Ablagerungen von mehreren tausend Jahren umfassen können.
Wahrscheinlich wurden schon in der Steinzeit Muscheln für den Verzehr zubereitet und Hitze ausgesetzt – den Schalen sieht man es nicht unbedingt an. Sind sie so noch zuverlässige Klimaarchive? Diese Frage stellte sich der ZMT-Geologe Peter Müller. Mit Kollegen untersuchte er steinzeitliche Muschelansammlungen von der Küste Mauretaniens und verglich sie mit Venusmuscheln aus der heutigen Zeit, die er unterschiedlich zubereitete, indem er sie kochte, grillte oder verbrannte.
Dabei zeigten Messungen mit einem Massenspektrometer, dass schon eine schwache Erwärmung die Zusammensetzung der Isotopen in den Muscheln verändern kann. Für verlässliche Klimarekonstruktionen sind sie dann unbrauchbar. Mithilfe der Messung von sogenannten „Clumped Isotopes“, einer noch jungen Methode, konnte das Team jedoch eine präzise Unterscheidung zwischen erhitzten und nicht erhitzten Muscheln vornehmen.
„Die Methode ist so sensibel, dass sie sogar Aussagen über die Kochkunst der Steinzeit ermöglicht“, meint Peter Müller. „Um sie zu öffnen, wurden die Muscheln damals wahrscheinlich auf Steine gelegt, die im Feuer erhitzt worden waren“. Bisherige Studien zur Klimarekonstruktion mittels solchen prähistorischen Materials hätten dies oftmals nicht ausreichend berücksichtigt und unter Umständen dadurch falsche Schlüsse gezogen, so Müller.
Von besonderem Interesse ist für das Team die Entstehung der Saharawüste. Archäologische Ablagerungen können über den zeitlichen Verlauf Aufschluss geben. Es kursieren widersprüchliche Theorien, die von einem abrupten bis zu einem langsamen Übergang von einer üppigen Savannenlandschaft in eine Wüste reichen. Peter Müllers Daten an unbehandelten Muscheln unterstützen die Theorie eines langsamen Klimawandels.
Publikation
http://www.nature.com/articles/s41598-017-03715-8