Krabben, wie diese Winkerkrabbe in Indonesien, sind unter den häufigsten Bewohnern der Mangroven zu finden | Foto: Inga Nordhaus, ZMT
Krabben, wie diese Winkerkrabbe in Indonesien, sind unter den häufigsten Bewohnern der Mangroven zu finden | Foto: Inga Nordhaus, ZMT

20.08.2021 | Für den Erhalt von Mangroven und ihrer Ökosystemleistungen spielt die Artenvielfalt der benthischen Wirbellosen eine große Rolle. Dies ist das Ergebnis einer globalen Synthese eines internationalen Forscherkonsortiums unter Beteiligung des ZMT, die jüngst in der hochrangigen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wurde. Ein wichtiger Baustein waren die von ZMT-Forscherin Inga Nordhaus über viele Jahre in den artenreichen Mangroven Indonesiens erworbenen Erkenntnisse aus dem BMBF-geförderten Forschungsprogramm SPICE. Hier ein Interview mit Tim Jennerjahn, dem damaligen Leiter des SPICE-Forschungsverbundes zur "Ökologie von Mangroven und der Nachhaltigkeit ihrer Ressourcen".

Was waren die Ausgangsfragen der Studie?

Tim Jennerjahn: Wie widerstandsfähig bzw. anfällig sind Mangroven gegenüber vom Menschen verursachten Umweltveränderungen? Ein Indikator hierfür sind unter anderem benthische Invertebraten, die wichtige Funktionen erfüllen (Nährstoff- und Sauerstoffzufuhr, Belüftung des Bodens, Beeinflussung des Kohlenstoffkreislaufs). Bleiben die Funktionen erhalten, wenn ihre Artenzahl abnimmt? Wie hoch ist ihre taxonomische und funktionelle Diversität?

Was genau wurde untersucht?

Tim Jennerjahn: Ein internationales Konsortium, an dem das ZMT durch Inga Nordhaus beteiligt war, hat Daten aus 16 verschiedenen Mangrovengebieten weltweit zusammengetragen, die das gesamte Spektrum von niedriger bis hoher Diversität der benthischen Wirbellosen abbilden. Anhand der Krebs- und Mollusken-Gemeinschaften wurden das Verhältnis von taxonomischer zu funktioneller Diversität und die funktionelle Redundanz ermittelt. Die Ergebnisse wurden in Beziehung gesetzt zu denen anderer, meist tropischer Küstenökosysteme, um festzustellen ob Mangroven weniger oder stärker anfällig bzw. widerstandsfähig sind als andere Ökosysteme.

Welche neuen Erkenntnisse ergaben sich?

Tim Jennerjahn: Die Mangroven haben eine geringere funktionelle Redundanz und sind deshalb bei Artenverlust anfälliger als andere Ökosysteme. Mangrovenwälder in Südost-Asien mit höherer Artenzahl sind weniger anfällig als andere weniger artenreiche Mangrovenökosysteme. Flächenmäßig kleine Mangroven haben ebenfalls eine hohe Artenvielfalt und sind daher genauso erhaltenswert wie große Mangroven.

Was kann man daraus für Schlüsse ziehen?

Tim Jennerjahn: Mangroven sind besonders anfällig bei Artenverlust, weil durch diesen auch schnell viele Funktionen verloren gehen. Auch die Entfernung einzelner Arten aus dem System, beispielsweise durch Überfischung, kann zum Verlust wichtiger Funktionen führen, die das gesamte Ökosystem gefährden.

Bei der Beurteilung des Zustandes bzw. der Bedeutung von Mangrovengebieten sollte man also nicht nur nach deren Größe gehen, sondern auch die Artenvielfalt mit einbeziehen. Der Erhalt der Artenvielfalt als wichtiger Faktor für die Funktionalität und die Bereitstellung von Ökosystemleistungen ist für Mangroven von größerer Bedeutung als für andere Küstenökosysteme und sollte bei Schutz- oder Restaurierungsmaßnahmen deshalb besonders berücksichtigt werden.

Warum haben die Ergebnisse weitreichende Bedeutung?

Tim Jennerjahn: Mangroven und ihre Artenvielfalt müssen erhalten bleiben, weil sie wichtige Funktionen erfüllen und Ökosystemleistungen liefern. Mangroven sind wichtig für Küstenschutz und Klimaregulierung, die benthischen Invertebraten tragen dazu bei und sind darüberhinaus auch eine wichtige Nahrungsquelle für Tier und Mensch.

Publikation

Stefano Cannicci, Shing Yip Lee, Henrique Bravo, Jaime Ricardo Cantera-Kintz, Farid Dahdouh-Guebas, Sara Fratini, Marco Fusi, Pedro J. Jimenez, Inga Nordhaus, Francesca Porri, Karen Diele (2021). A functional analysis reveals extremely low redundancy in global mangrove invertebrate fauna. Proceedings of the National Academy of Sciences Aug 2021, 118 (32) e2016913118; DOI: 10.1073/pnas.2016913118