05.08.17 | „Ich schleife Steine so dünn, dass man durchgucken kann.“ In Zahlen ausgedrückt, erläutert Sebastian Flotow, entspricht es der Dicke von einem 28 tausendstel Millimeter. Bildhaft gesprochen: etwa halb so dick wie ein Haar.
So zarte Scheibchen von Gestein oder Kalkskeletten brauchen vor allem die Forscher am ZMT, die sich mit dem Sediment beschäftigen, mit dem Meeresboden, dem Sandstrand, dem Uferschlick. Aus allen Gebieten der Welt vertrauen Wissenschaftler geologische und biologische Proben den geschickten Händen des Präparators an. „Mit unseren Geräten kann man Mineralbestimmungen und Elementanalysen machen oder Strukturen von Mikroorganismen erkennen.“
Vom Makro- zum Mikrokosmos
Präparator für Geologie und Paläontologie ist Sebastian Flotow und gelernter Zimmermann. Die Unterschiede in den Aufgabenbereichen seien gar nicht so groß, sagt der technische Mitarbeiter vom ZMT bescheiden. Ob Gesteinssäge oder Formatkreissäge, man müsse immer präzise arbeiten, und auch das Rasterelektronenmikroskop gelte es letztlich nur für die geforderten Zwecke möglichst genau einzustellen. Aber das kann keineswegs jeder. Sebastian Flotow ist ein begehrter Handwerker auf seinem Gebiet. Erfahren beurteilt er die physikalischen Effekte, die sich im Umgang mit dem REM ergeben könnten, und geduldig präpariert er so, dass die Strukturen im Mikrokosmos am Ende so gut sichtbar werden wie möglich.
Die vielen Doktoranden am ZMT bringen eine Proben- und Perspektivenvielfalt in sein Labor, die ihn begeistert. Flotow hat Ehrgeiz, wenn es darum geht, speziellen Wünschen gerecht zu werden. Dann nimmt er sich Zeit, um zu entscheiden, ob für das anvisierte Ziel eine angeschliffene Fläche oder eine Bruchfläche ideal ist, oder wie er sicher stellen kann, dass beim Schleifen keine wertvollen Mineralien geschreddert werden. Der konzentrierte Einsatz lohne sich, sagt er. „Das Ergebnis wird für alle besser, und das zu erreichen, macht Spaß.“
Zwischen Matrosen und Wissenschaftlern
Sebastian Flotows technische Expertise ist auch auf dem Forschungsschiff gefragt. Er konstruiert den Wissenschaftlern schon mal spezielle Geräte für die Reise in die Tropen, oder er betreut den Transport und Einsatz der Gerätschaften auf dem Schiff, wenn es zum Beispiel darum geht, Sedimentproben zu nehmen. Die Seilwinde mit dem Backengreifer bedienen die Matrosen. Das Sediment zu heben, zu sieben und Staub zu sammeln, fällt in sein Ressort. Was einfach klingt, ist im wissenschaftlichen Zusammenhang komplex. „Schiffsarbeit ist immer extrem“, lacht er und genießt es dennoch, seine Wirkungsstätte zwischen Werkstatt und Labor in Bremen dafür gelegentlich zu verlassen.
Wenn er die technische Welt im Griff hat, erlaubt sich der passionierte Handwerker selbst einen schweifenden und schwärmenden Blick in die Miniaturwelten. Besonders liebt er es, wenn Proben nicht perfekt gewaschen sind. Dann nämlich entdecke man an einem Plankton wie einer Foraminifere mit Kalkskelett, die so klein ist wie ein Stecknadelkopf, noch viel kleinere Strukturen und Mikroorganismen wie Kieselalgen oder Strahlentierchen. „Kieselalgen sind im Grunde aus Glas, sie bauen ein Silikat Skelett aus Sand auf, und das zu betrachten ist so wunderschön.“
Sebastian Flotow gehört am ZMT zur Abteilung „Infrastruktur“ und ist der zentrale Ansprechpartner für Schleiflabor und Licht- und Rasterelektronenmikroskopie. Er bietet technische Unterstützung für die Vorbereitung und Präparation von Probenmaterial. Schleiflabor und REM gehören zu den wichtigen Service Einrichtungen am ZMT mit umfassender Ausstattung für meereswissenschaftliche Analysen und detaillierte Untersuchungen der Ultrastruktur geologischer und biologischer Proben.
Autorin: Bettina Mittelstrass