16.04.2021 | Der „CAMPUS PREIS: Forschen für nachhaltige Zukunft“ geht in diesem Jahr an einen Wirtschaftswissenschaftler der Universität Bremen sowie einen Masterabsolventen des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) und der Universität. Dr. Tobias Wendler hat sich in seiner ausgezeichneten Doktorarbeit mit grünen Technologien und ihrem Nutzen in den Ländern der EU beschäftigt. Karl Schrader forschte in seiner Masterarbeit zur Krabben-Fischerei auf den Fidschi-Inseln. Die Preisverleihung fand am 15. April digital statt. Die Auszeichnung ist mit 3.000 Euro dotiert – 2.000 Euro gehen an Wendler, 1.000 Euro an Schrader.
In seiner Dissertation untersuchte Tobias Wendler den Zusammenhang zwischen den Entwicklungen grüner Technologien und Umweltschäden in der Europäischen Union (EU). Unter grünen Technologien versteht man zum Beispiel Anlagen zur Stromerzeugung wie Windenergieanlagen, aber auch Technologien zur Rückgewinnung von Wertstoffen. Die Datenanalyse war aufwändig. Wendler analysierte dafür Daten zu Patenten sowie Emissionen und zum Ressourcenverbrauch aus den 27 EU-Staaten. Der untersuchte Zeitraum umfasst mehr als 20 Jahre.
Grüne Technologien unterscheiden sich beim Ressourcenverbrauch
Der promovierte Volkswirt fand heraus, dass grüne Technologien zwar einen besonderen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Allerdings unterscheiden sie sich beim Ressourcenverbrauch sehr stark. „Mit gut entwickelten Recycling-Technologien lassen sich wesentlich deutlicher und schneller Effekte erzielen“, erläutert der Wissenschaftler seine Ergebnisse. Nachholbedarf sieht er im Mobilitätssektor. Alternative Energieproduktions- oder grüne Transporttechnologien hätten den Ressourcenverbrauch bislang nicht messbar verringert, so Wendler. Zudem hätten gleiche Technologien nicht immer dieselbe Wirkung. „Sie sind keine ‚one-size-fits-all‘-Lösung “, so Wendler. Es sei wichtig, nationalen Unterschieden innerhalb der EU Rechnung zu tragen und länderspezifische Barrieren abzubauen.
„Tobias Wendler hat über den Tellerrand hinausgeschaut“
Jury-Mitglied Nike Fuchs vom Alfred Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) lobt Tobias Wendlers Dissertation als einen „wichtigen Fingerzeig für eine nachhaltige Zukunft aus der Sicht eines engagierten Volkswirts“. Sie hebt nicht nur die aufwändige Datenanalyse der Arbeit, sondern auch die ganzheitliche Betrachtung der Nachhaltigkeitsproblematik hervor. „Wir sollten den Blick über die Betrachtung der CO2-Mengen hinaus richten, wenn es um die nachhaltige Zukunftsgestaltung geht. Hierzu gehört auch die Betrachtung der Ressourcenverbräuche und damit neben dem Klima- der Ressourcenschutz“, sagt sie. Wendler habe außerdem über den Tellerrand seines wirtschaftswissenschaftlichen Fachgebiets hinausgeschaut und sich mit gesellschaftlichen Fragestellungen beschäftigt.
Wendler: „Stets das große Ganze in den Blick nehmen“
„Der Preis ist eine tolle Bestätigung, dass auch die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften konkrete Beiträge hin zur Nachhaltigkeit liefern können“, sagt Tobias Wendler. „Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung müssen wir nicht nur technologische Lösungen, sondern stets das große Ganze in den Blick nehmen. Wir benötigen die Offenheit für einen Wandel, der tiefer gehen kann als nur kleinere Anpassungen in Produktions- und Konsumweisen. Anstatt einfacher Lösungen sollten wir stärker auf den gesellschaftlichen Sinn schauen und auf eine weniger von materiellen Belangen gesteuerte Gesellschaft hinarbeiten.“
Managementempfehlungen für die Krabben-Fischerei in Fidschi
Für seine Masterarbeit verbrachte Karl Schrader ein halbes Jahr im südpazifischen Inselstaat Fidschi. Er untersuchte, wie sich die Fischerei im Rewa Delta in der Nähe von Suva, der Hauptstadt von Fidschi auf Mangrovenkrabben auswirkte. „Ich wollte wissen, ob ein vergleichsweise hoher Fischereidruck zu Einbußen in Fangzahlen und der durchschnittlichen Fanggröße einzelner Krabben führte“, sagt der Student.
Im Zuge der Studie wurden über drei Monate Krabben gefangen, bestimmt, gezählt, vermessen und danach wieder frei gelassen. Das Nummerieren einzelner Krabben stellte sicher, dass mögliche Ortswechsel der Individuen mit in die Auswertung einbezogen werden konnten. Schrader konnte zeigen, dass lokale Unterschiede in der Fischereiintensität bei der wirtschaftlich wichtigsten Mangrovenkrabbe der Art Scylla serrata mit Unterschieden in der durchschnittlichen Größe der gefangenen Individuen einhergehen. Unterschiede in den Fangzahlen verändern sich, zumindest im Kontext des Untersuchungsgebietes, großräumiger und über längere Zeiträume, wie die lokalen Fischer berichten. Um die Bestände zu schützen, seien Maßnahmen wie eine strikte Einhaltung von Mindestfanggrößen notwendig. Des Weiteren müsse es Schonzeiten oder Tabuzonen geben, in denen die Fischerei von Mangrovenkrabben gänzlich eingestellt wird, folgerte Schrader.
Interesse an Arbeit ist in Fidschi weiterhin da
Einen Managementansatz konnte der Meeresbiologie sogar vor Ort testen, als die Einheimischen dem Bremer Studenten vorschlugen, die Fischerei zwei Monate lang einzuschränken. Der kurze Zeitraum reichte aus, um erste lokale Tendenzen hin zu höheren Fangzahlen festzustellen.
Während seines Forschungsaufenthalts entwickelte Karl Schrader eine vertrauensvolle Beziehung zu der lokalen Bevölkerung, insbesondere zu Peniasi Naimoso, dem Repräsentanten des Bezirks Vutia in der Provinz Rewa. Das Interesse an Schraders Ergebnissen besteht weiterhin. Der Forscher schickte bereits einen Bericht mit Ergebnissen und Management-Empfehlungen an den Bezirksrepräsentanten. Auch das Bildungsministerium wird noch einen ausführlichen Abschlussbericht erhalten. Karl Schrader weiß: „Der Erfolg künftiger Schutzmaßnahmen ist abhängig von der Akzeptanz in den einzelnen Kommunen, deren Fischeigründe sehr klar definiert sind und untereinander respektiert werden.“
Jury-Mitglied Fabio Nicoletti vom Verein Alumni der Universität Bremen in seiner Laudatio: „Karl Schrader erforscht in seiner Arbeit ein drängendes ökologisches Problem, das sich negativ auf die Nahrungssicherheit auf den Fidschi-Inseln auswirken. Durch die enge Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung gelingt es ihm, gemeinsam mit den Betroffenen die Situation besser zu verstehen und mögliche Lösungsansätze zu formulieren. Beide Aspekte leisten einen wichtigen Beitrag für den Erhalt wertvoller Ressourcen für zukünftige Generationen.“
Für Karl Schrader ist der Preis in erster Linie eine hohe Wertschätzung seiner Arbeit. „Häufig ist es schwer, die eigene Forschung distanziert zu betrachten oder zu werten“, sagt er. „Schon die Nominierung für den Preis war eine schöne und motivierende Rückmeldung zu der investierten Zeit und Arbeit. Den Preis nun auch tatsächlich zu gewinnen, übertrifft die Erwartungen, ist eine sehr angenehme Überraschung und untermalt den Abschluss dieses Lebensabschnittes sehr positiv.“
Über Tobias Wendler
Seit seinem Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften forscht und lehrt Tobias Wendler in der Forschungsgruppe für Innovations- und Strukturökonomik von Professorin Jutta Günther an der Universität Bremen. Dort begann er 2016 auch seine Promotion, die er 2020 erfolgreich abgeschlossen hat. Die Nachhaltigkeitsproblematik beschäftigt ihn auch über die eigene Forschungsarbeit hinaus. Für Wendler geht Nachhaltigkeit tiefer, als lediglich die Frage zu beantworten, wie Menschen die Natur bestmöglich zu ihren Zwecken nutzen können. Dabei interessieren ihn Fragen wie: In welche Beziehung wollen wir uns zu unseren Mitgeschöpfen und unserer Mitwelt setzen? Inwieweit wollen wir Schaden an unserer Mitwelt zu unserem Vorteil akzeptieren? Diese grundlegenden Einstellungen hält er für das Fundament, an dem wir arbeiten müssten. „Die aktuellen Krisen bieten uns die Chance an diesen Grundsatzfragen anzusetzen“, sagt Wendler.
Über Karl Schrader
Karl Schrader ist in Berlin geboren und in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen. Geprägt haben ihn Auslandsaufenthalte in Südamerika. Schon als Schüler lebte er ein Jahr lang in Venezuela. Während seines Bachelor-Studiums an der Hochschule Bremen verbrachte er längere Zeit in Brasilien, wo er während des Studiums für eine NGO arbeitete, die sich um den Schutz von Meeresschildkröten kümmert. So wurde sein Interesse an der Ökologie der Tropen geweckt. An der Universität Bremen entschied er sich für den Studiengang „International Studies in Aquatic Tropical Ecology“. Die ausgezeichnete Arbeit, die er in der ZMT-Arbeitsgruppe Mangrovenökologie von Prof. Dr. Martin Zimmer erstellte, bildet den Abschluss des gemeinsamen Studiengangs des ZMT und der Universität Bremen.
Über den CAMPUS PREIS
Der CAMPUS PREIS zeichnet herausragende, auf dem Campus der Universität Bremen erstellte Abschlussarbeiten aus, die sich thematisch der nachhaltigen Nutzung von Ressourcen, dem Schutz der Umwelt, des Klimas und der Meere widmen. Die Auszeichnung wurde 2016 ins Leben gerufen und wird einmal im Jahr von der KELLNER & STOLL-STIFTUNG FÜR KLIMA UND UMWELT, dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT), der Universität Bremen und dem Verein Alumni der Universität Bremen ausgelobt. Sie ist mit insgesamt 3.000 Euro dotiert.
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