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Im Rahmen des ISATEC (International Studies in Aquatic Tropical Ecosystems) Master Studiengangs an der Universität Bremen lebe und arbeite ich momentan auf den Fidschi Inseln. Als Teil des „Shark Research Programm“ der University of the South Pacific (USP) untersuche ich eine potentielle Kinderstube für juvenile Haie im Norden Fidschis. In den pazifischen Gewässern rund um die 333 Inseln sind viele verschiedene Haiarten anzutreffen, und man weiß noch sehr wenig bis gar nichts über deren lokale Aufzuchtsgebiete.

In meinem Masterprojekt werde ich betreut von Prof. Martin Zimmer vom ZMT sowie von Prof. Ciro Rico von der University of the South Pacific. Sie soll einen Teil dazu beitragen, kritische Habitate rund um Fidschi zu identifizieren und diese letztendlich in einen nachhaltigen nationalen Hai-Management-Plan zu integrieren. Besonderer Fokus wird dabei auf den Bogenstirn-Hammerhai gelegt, der hier in vielen Küstengebieten anzutreffen ist. Von den acht Hammerhai-Spezies des Genus Sphyrna werden zwei als „stark gefährdet“ von der IUCN (International Union for Conversation of Nature) eingestuft: der Bogenstirn-Hammerhai Sphyrna lewini und der Große Hammerhai Sphyrna mokarran.


Weitere Informationen zu dem Projekt (auf Englisch)

Juni 2016

Das Ba Gebiet: ein Kindergarten für Haie?
Meine Funde deuten darauf hin, dass das untersuchte Gebiet als Kinderstube für juvenile Haie dienen könnte. Knapp 50% der von mir gefangenen Individuen hatten eine offene Nabelschnur-Narbe, ein Indikator für das Alter der Jungtiere, was in diesen Fall bei unter 6 Wochen liegen sollte. Um das Konzept von Hai-Kinderstuben (in Englisch: ‚shark nursery‘) wissenschaftlich zu belegen, müssen einige Kriterien erfüllt sein, die von der Haiforscherin Michelle Heupel und ihre Kollegen im Jahr 2007 in einem wissenschaftlichen Artikel beschrieben wurden.

Kurzgefasst müssen drei Kriterien erfüllt werden:
1. Haie werden hier öfters gesichtet/gefangen als in anderen Gebieten.
2. Haie tendieren dazu, sich für ausgedehnte Zeitperioden in der ‚nursery‘ aufzuhalten bzw. wieder hierher zurückzukehren.
3. Das Gebiet wird über Jahre hinweg genutzt.

Mit dieser spezifischen Definition können die Punkte einzeln geprüft und eine Art Baseline etabliert werden, um Gebiete weltweit zu erforschen und zu vergleichen. Um die Punkte zu testen, gibt es verschiedene Verfahren, wie z.B. die Anzahl von Jungtieren mit denen von anderen umliegenden Gebieten zu vergleichen (Punkt 1). Getaggte und wieder gefangene Jungtiere können Punkt 2 validieren; Punkt 3 kann nur über eine Langzeitstudie bestätigt werden. Momentan laufen Diskussionen über eine Fortführung des Projektes, und ich würde mir wünschen, dass sich zeitnah eine Lösung findet, so dass wir über lange Sicht tatsächlich prüfen können, ob es sich bei diesem Gebiet um eine Hai-Kinderstube handelt oder nicht.

Der eine oder andere mag sich nun vielleicht fragen, warum es nötig ist, so etwas herauszufinden?
Die Antwort ist eigentlich recht simpel: Besonders bei den beiden Hammerhaiarten, die bereits vom Aussterben bedroht sind, ist es extrem wichtig festzustellen, wo sich Fortpflanzungs-, Nahrungs- und Aufzuchtsgründe befinden, um diese letztendlich in Form von Naturparks zu schützen.
Nur wenn wir kritische Areale in ihrer Funktion erhalten können, haben wir eine Chance, betroffene Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Die Identifizierung solcher Habitate ist also der erste Schritt in die richtige Richtung. Nur mit vorhandenen Daten können überhaupt Entscheidungen getroffen werden, die die Natur schützen, und mit ihr auch das ökologische Gleichgewicht unsere Ozeane.

Ausblick – Analyse der nächsten Wochen
Die nächsten Wochen werden erst einmal ganz im Dienste der Laborarbeit und der Analyse der DNA-Proben stehen. Zusätzlich werte ich momentan meine Daten bezüglich der Umweltparameter aus. An jedem Punkt, an dem ich meine Langleinen oder Kiemennetze eingesetzt habe, habe ich mit einer Sonde auch die Salinität, die Wassertemperatur und die Sauerstoffsättigung gemessen. Neben diesen Daten inkorporiere ich auch Tiefe, Turbidity (gibt den Trübungsgrad des Wassers an) und Distanz zu den Mangroven in die Analysemodelle, um letztendlich herauszufinden, ob sich die verschiedenen Spezies in ihren Habitatpräferenzen signifikant unterscheiden oder nicht.
Anfang August wird es dann Zeit, die Arbeit als fertige Master-These einzuhändigen und einen wissenschaftlichen Artikel zu verfassen. Ich freue mich jedenfalls auf die kommenden Wochen und Monate und die Auswertung meiner Daten. Das ist ja das Schöne an eigenen Projekten: dass man sie eben zu einem großen Teil alleine durchgeführt und geplant hat, und man sich daher mit der Arbeit identifizieren kann!

Dient der Ba-Fluss und sein Mündungsgebiet als Hai-Kinderstube?

Wie sieht die Zukunft der meisten Haiarten aus? Nur mit Daten können hilfreiche Managementpläne entwickelt werden, die nachhaltig wichtige Habitate schützen werden.

Mai 2016

Seit fast vier Wochen bin ich nun wieder zurück in Deutschland und habe viele Daten mitgebracht, die jetzt darauf warten, analysiert zu werden. Meine Feldarbeitsphase hat sich letztendlich um über einen Monat verlängert, nachdem am 28. Februar der stärkste jemals in der südlichen Hemisphäre verzeichnete Sturm, Zyklon Winston, Fidschis Bevölkerung hart traf und Zerstörung über die Menschen und das Land brachte.

Auch das Dorf, in dem ich arbeitete, hat es schlimm getroffen, und über ein Dutzend Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht. Klar musste in dieser schweren Zeit mein Projekt erst mal zurückstecken. Die Menschen hatten nun andere Sorgen als mit mir Haie zu fangen, und konzentrierten sich auf Aufräum- und Reparaturarbeiten. Hinzu kam, dass starke Regenfälle und die bis zu 420km/h schnellen Sturmböen extrem viel Treibgut mit sich gebracht hatten und nun das gesamte Ästuar-Gebiet, in dem ich fischte, schwer zu befahren war.

Zurück in Deutschland – Fischereinzug macht Platz für den Laborkittel
Etwas über 100 Proben habe ich von Fidschi inklusive aller nötigen Formen und Genehmigungen nach Deutschland importiert, und habe letzte Woche angefangen, diese im Labor zu analysieren. Mein Ziel ist, alle Proben (Haiflossen-Gewebe) zum Sequenzieren einzuschicken, um dann anhand der DNA-Sequenz die einzelnen Spezies bestimmen zu können. Sobald wir die Reihenfolgen der Basenpaare in einem bestimmten mitochondrialen Gen kennen, können wir diese in einer umfangreichen internationalen Datenbank mit bereits sequenzierten Haien vergleichen. Da Hammerhaie morphologisch deutlich einfacher zu unterscheiden sind als viele andere sich sehr ähnelnde, juvenile Haiarten, bin ich mir ziemlich sicher, Bogenstirn-Hammerhaie (Sphyrna lewini) und Große Hammerhaie (Sphyrna mokarran) gefangen zu haben, allerdings bin ich mir unschlüssig über meine dritte Spezies. Momentan vermuten wir, dass es sich um junge Schwarzspitzen-Haie handelt (Carcharhinus limbatus), doch Klarheit werden erst die Analysen bringen. Es bleibt spannend!

Insgesamt haben wir über die Dauer des Projekts 115 Haie gefangen, davon 40 Bogenstirn-Hammerhaie und 9 Große Hammerhaie, beides Arten, die von der IUCN (International Union for the Conservation of Nature) als ,vom Aussterben bedroht‘ eingestuft werden. Zusätzlich zu meinen Fängen habe ich auch noch DNA-Proben von Bullenhaien (Carcharhinus leucas) gesammelt, die während meines Dorfaufenthaltes von lokalen Fischern im Fluss gefangen worden waren. Das bedeutet, dass das Ba-Fluss-Areal Lebensraum für mindestens vier verschieden Haiarten darstellt. Ein sehr interessanter Fund, den man in Zukunft in weiteren Studien verfolgen kann.

Die Komposition der gefangenen Haie. Die DNA-Proben der „Unidentified Blacktips“ müssen noch im Labor analysiert werden, um die Identität zu klären.

April 2016

Abschied aus Fidschi – sieben Monate mitten im Pazifik
Ende April hieß es dann auch für mich: Abschied nehmen von den Fidschi-Inseln. Das bedeutete nicht nur, viele neu gewonnen Freundschaften zurückzulassen, sondern auch, voller Erinnerungen, Erlebnisse und Inspiration nach Hause zurückzukehren. Die Zeit auf Fidschi war nicht immer leicht für mich, und ich habe viele Lösungen für Probleme finden müssen, doch im Nachhinein betrachtet hat es mich unglaublich weitergebracht. Nicht nur wissenschaftlich, sondern auch menschlich.

Ich habe gelernt, ein eigenes Projekt zu planen und durchzuführen, Probleme aus dem Weg zu schaffen und mit Menschen umzugehen, damit alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Als ich im Flugzeug saß und meine über 40-stündige Heimreise antrat, ließ ich meine Zeit noch einmal Revue passieren und schloss meinen Gedankengang mit der Feststellung ab, dass ich mir kein besseres Projekt hätte wünschen können.

März 2016

Nach der Zwangspause – zurück auf dem Wasser
Nach etwas über vier Wochen später bekam ich ein Anruf von dem Dorfvorsteher, dass ich wieder zurückkommen könne, um mit meiner Fischer-Crew weiter nach juvenilen Haien zu suchen. Bereits sechs Tage nach dem Sturm hatte ich mir zusammen mit meiner Freundin ein Auto gemietet und das Dorf mit Grundnahrungsmitteln ausgestattet besucht, um mir ein Bild der Lage direkt vor Ort zu machen. Nun konnte ich endlich wieder herziehen, und mein Projekt konnte weitergehen.

Es war bereits Ende März und die Zeit lief mir davon. Ich musste unbedingt noch Fischerei-Stunden sammeln, um am Ende in allen meinen sieben Kreis-Arealen mit annähernd demselben ‚fishing effort‘ (Stunden, die ich pro Kreis gefischt hatte) nach Hause zu fahren.

Nach der langen Pause dauerte es wieder einige Tage, bis wir wieder voll in unserem Rhythmus waren und alles so klappte, wie ich es von meinen Fischern gewohnt war. Wir verbrachten in den nächsten vier Wochen nochmal einige Nächte auf dem Wasser und fingen weiterhin Haie, von denen ich wie auch schon zuvor die benötigten Daten nahm, sie taggte und schließlich wieder in die Gewässer des Pazifiks entließ.

Das Ba-Fluss-Mündungsgebiet inklusive der sieben Kreisareale, die ich regelmäßig befischt habe. In jedem der sieben Kreise befinden sich 10 zufällig angeordnete ‚fishing sites‘, also Orte, an denen ich entweder die Langleine oder die Kiemennetze eingesetzt habe.

Februar 2016

Das Leben im Dorf – Mücken, liebe Menschen und viel Zeit
Da unsere Fischereinächte bis zwei oder drei Uhr morgens dauern können, kommen wir alle in der Regel spät ins Bett. Das „Problem“ dabei ist, dass das Dorfleben bereits sehr früh anfängt und oft bereits ab halb sechs die ersten Geräusche von Töpfen und Pfannen zu hören sind. So sind die Nächte eher kurz, doch dafür habe ich ja die Wochenenden in Suva, und wenn alles gut läuft, die eine oder andere Stunde am Nachmittag.

Normalerweise stehe ich gegen acht Uhr auf und verarbeite dann die Daten von der Vornacht. Alles, was ich auf dem Boot auf dem wasserfesten Papier notiert habe, muss nun elektronisch gespeichert werden. Wenn ich diese Aufgabe erledigt habe, kümmere ich mich um die DNA-Proben. Auf dem Boot ist es leichter, die kleinen Flossenstücke in Glasfläschchen aufzubewahren, allerdings müssen sie, bevor sie in den Gefrierschrank kommen, in kleine, sogenannte „Eppendorf-Tubes“ umgelagert werden, die ich vorher mit einer Nummer versehe und mit Ethanol fülle.

Nach einem Snack nehme ich dann meistens den Bus nach Ba, eine ca. vierzig Minuten dauernde Fahrt entlang der Zuckerrohrplantagen, und besuche dort den Fischmarkt, um nach Haien Ausschau zu halten. Normalerweise gibt es wenigstens einen, den ich dann vermesse und auch hier wieder eine DNA-Probe entnehme. Außerdem suche ich nach guten Ködern für unsere Langleinen-Haken; meist benutzen wir Meeräschen oder kleine Makrelen. Den Rückweg trete ich dann im Taxi an, um bei einer Tankstelle stoppen zu können und das abendliche Benzin zu kaufen: mindestens 20 Liter und je nach geplantem Gebiet und Länge des Fischereitrips auch gerne mal 30 Liter. Sicher ist sicher, und daran soll es im Endeffekt nicht scheitern.

So komme ich meistens am frühen Nachmittag zurück ins Dorf und verbringe die nächsten Stunden, bis wir rausfahren, mit den Einwohnern. Man sitzt viel einfach da und trinkt Tee oder Kaffee. Geselligkeit ist sehr wichtig im Dorf, und es wird sehr viel Zeit miteinander verbracht. Auch wenn das bedeutet, einfach nebeneinander auf der Terrasse oder dem Fußboden zu schlafen (Fidschianer können wirklich in jeder (!) Position schlafen) oder einfach nur schweigend dem Treiben im Dorf zuzusehen.

Je nach Wasserstand machen Sione und ich uns dann meistens zwischen 17:00 und 19:00 Uhr auf den Weg zum Boot, beladen es und fahren ein paar hundert Meter weiter bis zu dem Dorf, in dem David und Jim wohnen. Wenn dann alle Mann an Bord sind, geht es raus Richtung Meer, und eine weitere Nacht steht uns bevor. Wie jeden Abend hoffe ich auf möglichst viele Haie und bin gespannt, wie die Nacht verlaufen wird.

Januar 2016

Langleine und Kiemennetz, um möglichst großes Spektrum abzudecken
Anfangs übernahm ich die Methodik aus dem Projekt im Rewa Fluss nahe Suva und fischte nur mit einem 100m langen und drei Meter breiten Kiemennetz, aber nach einigen Trips auf dem Meer habe ich mich dazu entschlossen, zusätzlich eine ca. 75m lange Longline zu benutzen und ein zweites Netz zusammenbauen zu lassen. Die Langleine ist alle 3 m mit einem beköderten Haken versehen, und wird nicht wie das Kiemennetz alle 20 Minuten auf Haifang kontrolliert, sondern alle 40 Minuten.

Durch die Kombination beider Fischereimethoden könnte ich ein noch größeres potentielles Spektrum an Haien „befischen“, was mir letztendlich natürlich ein klareres Bild über die verschiedenen Hai-Arten in diesem Ästuar-System verschaffen würde.

Meine Aufgabe besteht also vereinfacht gesagt darin, so viele Stunden wie möglich auf dem Wasser zu verbringen, um Haie zu fangen und Daten zu sammeln. Die Haie werden dann vermessen, das Geschlecht bestimmt, der Zustand der Nabelschnurnarbe dokumentiert, und die Tiere werden mit einem internen PIT-Tag mit einer individuellen Nummer versehen, sowie mit einem extern sichtbaren „Spaghetti“-Tag unterhalb der Rückenflosse, der mit Instruktionen und einer Telefonnummer versehen ist.

Zusätzlich zu diesen Daten sammele ich Informationen zu den Umweltbedingungen wie zum Beispiel Salzgehalt, Wassertemperatur und pH-Wert, und bestimme die Tiefe und den Grad der Wassertrübung, die Aufschluss auf den Nährstoffgehalt im Wasser geben kann.

Erste Ergebnisse – über 100 juvenile Haie
Nach nun etwas mehr als drei Monaten haben wir über 100 Haie gefangen. Fast 70% davon sind Schwarzspitzen-Haie (Carcharhinus limbatus), ca. 20% Bogenstirn-Hammerhaie (Sphyrna lewini) und die restlichen 10% die wunderschönen Großen Hammerhaie (Sphyrna mokarran). Während die Bogenstirn-Hammerhaie ausnahmslos mit dem Kiemennetz gefangen wurden, beißen die Schwarzspitzen-Haie regelmäßig an der Langleine. Die beiden Arten sind nicht nur äußerlich, sondern auch von ihren physischen Voraussetzungen schwer zu vergleichen: während Hammerhaie von Natur aus eher schwach und sehr empfindlich sind, finden wir die Schwarzspitzen-Haie in der Regel deutlich aktiver und „fitter“ vor. Das macht es für mich nicht unbedingt leichter, und die energiegeladenen Jungtiere können einem Forscher das Leben recht schwer machen, wenn sie vermessen und getaggt werden sollen. Um die Haie in einen Art Trancezustand zu versetzen, hilft es oft, sie einfach auf den Rücken zu drehen und dann präzise und schnell zu arbeiten.

An Bord muss ohnehin alles in einem möglichst kurzen Zeitintervall vonstatten gehen, um den Stress auf die Tiere so gering wie möglich zu halten. Sobald wir einen Hai im Netz oder an einem Haken der Langleine vorfinden, platziere ich ihn in unseren mit Wasser gefüllten Plastikcontainer. Dann nehme ich alle nötigen Daten auf, injiziere den Identifikations-Tag und entnehme zu guter Letzt noch eine winzige DNA-Probe aus der Seitenflosse des Hais, die einem langjährigen genetischen Projekt der Universität des Südpazifiks zu Gute kommt. Danch wird der Hai wieder ins Meer gelassen.

Dezember 2015

Auf der Suche nach Fidschi’s Hai-Kinderstuben
Bevor wir anfingen, experimentell in dem Flussmündungsgebiet des Ba Flusses zu fischen, verbrachte ich einige Tage im Dorf, um meine Fischer-Crew besser kennenzulernen und einige Gespräche mit anderen Fischern zu führen. Mithilfe dieser Interviews hatte ich bereits eine Idee, wo wir die besten Chancen haben würden, um Haie zu fangen, und ich konnte mich zusätzlich voll und ganz auf meinen Kapitän David verlassen, der bereits sein ganzes Leben hier fischt und das gesamte Gebiet wie seine Westentasche kennt.

Die Feldarbeit beginnt
In den nächsten Tagen und Wochen fuhren wir viele Male bei Sonnenuntergang aufs Meer. Mit unserem 6m langen und mit einem 40-PS-Motor bestückten Fiberglas-Boot sind es ca. 20 Minuten Fahrt von unserem Dorf bis zu den Fischereistellen. Diese Minuten waren und sind immer wieder aufs Neue wunderschön: die von Mangroven gesäumten Ufer sind noch vollkommen naturbelassen und geben im orangenen Licht der untergehenden Sonne spektakuläre Postkartenmotive preis. Während mir der Fahrtwind durchs Gesicht blies und der Himmel eine ganze Palette an Farben aufbrachte, dachte ich nicht nur einmal, wie toll mein Projekt hier auf den Fidschi-Inseln ist, und dass ich meine Master-Arbeit mit keiner anderen tauschen wollte.

Mitte bis Ende November 2015

Zurück in Suva – die letzten Vorbereitungen, bevor das Sampling endlich losgeht
Ich fuhr zurück nach Suva, um ein Auto zu organisieren, um meine Netze, Bojen, Anker, Seile, mein Kameraequipment und all die anderen schnell zu vergessenden aber notwendigen Utensilien zurück ins Dorf zu schaffen, das direkt am Ba Fluss gelegen ist und ca. 400 Fijianer beherbergt. Gleich am ersten Abend hatte ich ein Treffen mit dem alten und erfahrenen Kapitän David und meinen zwei Helfern Sione und Jim, die mit mir auf unserem kleinen Fiberglas-Boot für die nächsten Wochen und Monate arbeiten würden.

David fischt bereits sein ganzes Leben in und um den Ba Fluss und kennt das gesamte Gebiet wie seine Westentasche. Auf dem GPS sollte ich später viele Male sehen, wie er bei jedem Ausflug fast auf den Meter genau dieselben Routen nahm, wo für mich kaum Anhaltspunkte zu entdecken waren. Nach etwas Smalltalk zusammen mit ihnen und dem Headman erklärte ich ihnen, wer ich bin, was ich auf Fidschi mache, und warum es wichtig ist, dass wir herausfinden, welche Haie hier in ihren Fischereigewässern leben.

In Zeiten, in denen Populationen von Hammerhaien weltweit stark sinken, ist es besonders notwendig, Gebiete zu identifizieren, die von Hammerhaien als „Kinderstube“ genutzt werden. Verschiedene Studien berichten von einem philopatrischen Verhalten von den lebendgebärenden Bogenstirnhammerhaien, ganz ähnlich wie man es von Schildkröten kennt: die trächtigen Weibchen kehren auf Lebenszeit immer wieder zu denselben flachen Küstengewässern zurück, in denen sie zwischen 15 und 31 Jungtiere gebären und dann wieder in größere Wassertiefen verschwinden. Die juvenilen Haie nutzen die extrem produktiven Flussmündungsgebiete dann als eine Art geschütztes Aufzuchtsgebiet – hier bekommen sie genügend Schutz vor größeren Fressfeinden geboten und finden ausreichend Nahrung.

David erzählte mir bereits, dass hier viele kleine Haie gefangen würden. Ich war also guter Dinge und freute mich darauf in den nächsten Tagen aufs Meer zu fahren und das Sampling zu beginnen.

Ein Teil des neu konstruierten Fischernetzes, das ich benutze, um die juvenile Haie zu fangen und zu taggen.

Die „Outdoor-Küche“ meines Gasthauses im wunderschönen kleinen Dorf direkt am Fluss.

Anfang bis Mitte November 2015

Sevusevu und Headman Meetings – traditionelles Vorgehen ist ein Muss
Hier auf Fidschi ist es extrem wichtig, traditionelle Zeremonien und Protokolle einzuhalten, wenn man in Gebieten rund um die Dörfer arbeiten möchte. Dazu gehört auch die Sevusevu-Zeremonie mit dem sogenannten Headman, einer Art Dorfvorsteher.

Dabei werden traditionell vom Bittsteller Kava-Wurzeln übergeben, die mit diversen Danksagungen auf Fijianisch empfangen werden. Daraufhin wird auf Bambusmatten sitzend das Anliegen vorgetragen und auf ein Urteil gewartet. Der Headman hörte mir geduldig solange zu, bis ich alles erzählt hatte, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Danach erklärte er sein Einverständnis und seine Unterstützung für das Projekt, hieß mich in seinem Dorf willkommen und bot mir sogar ein Zimmer in seinem Haus für die bevorstehenden Monate an. Als abschließendes Ritual tranken wir das etwas bitter schmeckende Kava, das in einer großen metallenen Kava-Schüssel angerührt und dann reihum in kleinen Kokosschüsseln gereicht wird. Das gemeinschaftliche Kava-Trinken ist ein substantieller Bestandteil Fijianischer Kultur und sollte noch oft Teil meiner Tage im Dorf werden.

Mitte bis Ende Oktober 2015

Die vielseitigen Aufgaben von Feldarbeit
Es gab (und gibt) also viel zu lernen und zu erledigen. Im Rewa, Fidschi’s größten Fluss, werden bereits seit einem Jahr im Rahmen eines Projektes der USP hauptsächlich Bogenstirn-Hammerhaie mit Stellnetzen gefangen, getaggt und wieder freigelassen. Hier hieß es für mich also, so viele solcher Trips zu begleiten wie möglich. Erfahrung macht den Meister, und je mehr solcher Trips ich vor dem Start meines eigenen Samplings rund um Ba begleiten könnte, desto besser und schneller würde mein eigenes Projekt anlaufen. Nebenbei durchstreifte ich die Geschäfte Suvas, um eine komplette neue Tagging-Ausrüstung zusammenzustellen: vom 100m Kiemennetz über Scheren, Messer und Zangen bis hin zu GPS-Geräten, Tags und Maßbändern.

Die Liste schien endlos und die Organisation auf Fidschi ist oft schwierig und zeitaufwendig. Nach vielen langen und teils auch frustrierenden Stunden auf dem Meer, dutzenden Meetings und zahllosen (und oft umsonst getätigten) Geschäftsbesuchen war ich im November schließlich bereit, ins ca. 200 km entferne Ba aufzubrechen und dort alles mit dem Fischerdorf zu organisieren.

Anfang bis Mitte Oktober 2015

Überfischung und Habitatzerstörung als größte Herausforderungen für Hammerhai Populationen
Hammerhaie reproduzieren sich als sogenannte K-Strategen ähnlich uns Menschen sehr langsam. Weibliche Bogenstirn-Hammerhaie zum Beispiel erreichen erst im Alter von ca. 15 Jahren sexuelle Reife und können dann alle zwei Jahre zwischen 15 und 31 Jungtiere zur Welt bringen. Diese langsame Reproduktionsrate macht diese Spezies besonders anfällig für Überfischung. Die Populationen können schlicht und einfach nicht mit dem immens hohen Fischereidruck mithalten. Zusätzlich sind einige der Vertreter der Sphyrnidae-Familie besonders im Flossenhandel gefragt: die große Rückenflosse des Großen Hammerhais und der hohe Gehalt an Fasern erzielen Bestpreise im asiatischen Handel und machen Hammerhaie zu begehrter Beute. Viele Tiere verenden zudem als Beifang in der Langleinen-Fischerei und werden in tropischen Regionen von der artisanalen und nicht-kommerziellen Fischerei gefangen und verzehrt.

Auch die voranschreitende Entwicklung der Küstengebiete macht den Haien das Leben zunehmend schwerer. Wenn kritische und überlebenswichtige Habitate zerstört werden, verschwinden mit ihnen die letzten Refugien, die auf lange Sicht den Nachschub an Jungtieren sicherstellen können. Es ist an der Zeit, dass betroffene Länder Management-Strategien entwickeln, die das Überleben gefährdeter Spezien auf lange Sicht sichern können und den Schutz der Arten vorantreiben. Genau hier kommen wir Wissenschaftler ins Spiel, denn ohne genügend Daten können keine Entscheidungen getroffen werden.

Der Ba Fluss im Norden Fidschis – eine potentielle Hai-Kinderstube?
Nach meiner Ankunft auf Fidschi stand erst einmal sehr viel Organisatorisches sowie das Erlernen der benötigten Methodik auf dem Programm: welches Fischerei-Equipment benötige ich für das Fangen der Haie? Wie minimiere ich den Stress auf die gefangen Tiere? Und wie prozessiere ich die Haie am schonendsten?

Eine Studie aus dem Jahr 2010 identifizierte einige Gebiete rund um Fidschi‘s Hauptinseln Vanua Levu und Viti Levu als potentielle Aufzuchtsgebiete für juvenile Haie. Traditionelles Wissen der ansässigen Dörfer berichtete von regelmäßigen Jungtier-Fängen. Eines dieser Gebiete umfasst die Gewässer rund um den Ba Fluss im Nord-Westen der Hauptinsel, ca. fünf Stunden von der Hauptstadt Suva entfernt.

Texte und Bilder von Tom Vierus, AG Mangrovenökologie

Der Blog ist zuerst erschienen of sharkproject.org. Die Haischutz-Organisation hat Tom Vierus finanziell bei seinem Projekt unterstützt.